20. Oktober 2023 / Aus aller Welt

Prozess um Tod von Zweijährigem in Kita - Kritik an Betten

Ein Zweijähriger erstickt in einer Mini-Kita, seine beiden Tagesmütter stehen nun vor Gericht. Doch ein Gutachter betont: Wären die Kinderbetten in der Einrichtung vorschriftsmäßig gesichert gewesen, hätte das Unglück nie geschehen können.

Die angeklagten Tagesmütter mit ihren Anwälten im Amtsgericht Gelsenkirchen.

Fehlende Sicherheitsvorkehrungen, kaum Platz: Das Kita-Bett, in dem ein kleiner Junge vor zwei Jahren in Gelsenkirchen zu Tode gekommen ist, hat nach Einschätzung eines Gutachters gegen eine ganze Reihe von Vorschriften verstoßen.

«Solche Betten werden heute eigentlich gar nicht mehr verwendet», sagte der Möbelsachverständige Stephan Lahrmann am Freitag im Prozess um den tragischen Todesfall. An allen Seiten seien Gitter gewesen, nach oben habe der Zweijährige nur gut 60 Zentimeter Platz bis zur nächsten Ebene des Etagenbettes gehabt. Lahrmann sprach von einem «Käfig».

Gut zwei Jahre, nachdem der Junge in dem Bett eingeklemmt wurde und erstickte, hat der Prozess gegen die beiden Tagesmütter am Freitag noch einmal von vorn begonnen. Die Anklage wirft den 38 und 27 Jahre alten Frauen vor dem Amtsgericht Gelsenkirchen fahrlässige Tötung vor, weil sie die Aufsichtspflicht für die Kinder verletzt hätten.

Was genau damals während der Mittagspause in der Mini-Kita passierte, dazu haben die beiden Tagesmütter vor Gericht geschwiegen und nur ihre Anwälte kurze Erklärungen verlesen lassen. Unstrittig ist, dass der zweijährige Junge in der Mittagspause nicht schlafen wollte. Nachdem er schon einmal aus dem Bett geklettert war, schlossen die Tagesmütter das Gitter an seinem Bett und verließen den Raum. Durch die geschlossene Tür hätten sie noch ein Quengeln gehört, hätten aber trotzdem nicht nach dem Kleinen geschaut, sagte die Staatsanwältin. Irgendwann sei es still geworden. Die Tagesmütter hätten gedacht, der Junge sei eingeschlafen.

Kind am Hals eingeklemmt

Als sie eine Stunde später nach den Kindern schauten, war der Zweijährige erstickt. Den Ermittlungen zufolge hatte er es geschafft, die lose Bodenplatte des darüberliegenden Bettes hochzudrücken und seinen Kopf durch die Lücke zu stecken. Als seine Kraft nachließ, wurde sein Hals unter der elf Kilo schweren Platte eingeklemmt.

Gemäß den Vorschriften hätte die Spanplatte fest verschraubt sein müssen, betonte Gutachter Lahrmann. Dann wären die Bettchen zwar immer noch klein und eng gewesen, doch das Unglück hätte nicht passieren können.

Die Stadt Gelsenkirchen hatte nach Angaben eines Stadtsprechers nach dem Vorfall Konsequenzen gezogen. An den Holzbetten, die auch in einer anderen Kita im Einsatz gewesen seien, seien die losen Zwischenplatten nachträglich fixiert worden. Nach Angaben der Stadt stammte das Bett von einem professionellen Kinderbettenausstatter.

Die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft zu den Betten liefen ins Leere. Klar sei, dass sie zehn Jahre vor dem tödlichen Zwischenfall aus finanziellen Mitteln der Stadt Gelsenkirchen angeschafft worden seien und seitdem im Einsatz gewesen seien, berichtete der Vorsitzende Richter Karl-Martin Lucks aus den Ermittlungsakten. Auch der Hersteller der Betten und der Lieferant seien ermittelt worden. «Es versuchen jetzt natürlich alle, sich rauszureden», sagte Lucks.

Eltern des Jungen im Gerichtssaal dabei

Juristisch zur Verantwortung ziehen lassen sich nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft nur die beiden 38 und 27 Jahre alten Frauen, die als selbstständige Tagesmütter in der von der Stadt organisierten Großtagespflege arbeiteten. Sie hätten die Kinder während des Mittagsschlafs nicht unbeaufsichtigt in dem Schlafraum lassen dürfen. Nicht einmal in Babyfon sei installiert gewesen, sagte die Staatsanwältin.

Die Eltern des Zweijährigen verfolgten den Prozess sichtlich bewegt. «Er hat das Leben geliebt. Er hat getanzt und gesungen», erzählte die Mutter über ihren Sohn.

Ein Urteil könnte am kommenden Freitag verkündet werden. Der Prozess hatte im April schon einmal begonnen - musste damals aber wegen eines organisatorischen Fehlers des Gerichts nach wenigen Stunden wieder abgebrochen werden.


Bildnachweis: © Oliver Berg/dpa
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